Der Moosrosenkavalier.
Sie waren schon alle da, als Gonzo in Altendorf ankam: Streifenwagen,
der Kleinbus von der Spurensicherung, die beiden Zivilkutschen vom Kriminaldauerdienst
und der Leichenwagen. Vorm Haus tuschelten die Nachbarn darüber. Der
Blumenhändler, vor dessen Laden Gonzo den Kombi in eine Parklücke
quetschte, schleppte die Dahlien aus dem Saisonangebot und die Yukkapalmen
zum Sonderpreis aus der Straßenauslage in den Laden zurück.
Als Gonzo die Suzie von der Ladefläche holte, plierte der Händler
auf die Aufkleber auf den Seitenscheiben. "Gonschorek Videoproduktion
- TV und Werbung - sind Sie das?" Gonzo checkte die Suzie und kontrollierte
die Akkus und behielt den Hauseingang im Auge."Sind sie schon mit
dem Sarg raus?" Der Blumenhändler kratzte sich am Kopf. "Moosröschen",
sagte er. "Vor drei Stunden hat er sich noch Moosröschen geholt.
17 Stück. Hochzeitstag, hat er gesagt, 17 Jahre." Er nahm die
letzten Armvoll Dahlien aus dem Eimer. "Er hat immer Moosröschen
genommen." "Klar", sagte Gonzo. "Ist der Sarg schon
raus?" Der Händler schüttelte den Kopf. Von den Stielen
der Dahlien tropfte es. "Seine Frau war eine ganz liebe", sagte
er. "Jede andere hätte ihn schon längst auf die Straße
gesetzt. Dauernd diese Techtelmechtel. Zuletzt mit der Angelika aus der
Lottoannahmestelle an der Ecke. Immer Moosröschen. Zwei Wochen lang
jeden Tag, bis er sie rumhatte. Und vorher die Kindergärtnerin, achtzehn
Tage. Oder die Blonde vom Friseur, nur drei Tage. Und immer Moosröschen."
"Alles klar", sagte Gonzo und drängelte sich mit der Suzie
auf der Schulter durch die Gaffer. Er hatte Glück. Hoffmeister von
der Nordwache stand am Eingang und nickte Gonzo nur kurz zu, als er sich
ins Treppenhaus schob. Es war die Parterrewohnung. Im Treppenhaus warteten
die Bestatter mit ihrem Blechsarg, die Wohnungstür stand auf, Spurensicherer
in ihren weißen Anzügen stellten ihre Nummerntäfelchen
auf und fotografierten. Kommissar Behrendt vom Kriminaldauerdienst lehnte
in der Küchentür, die Hände in den Jackentaschen. "Mach
schnell", sagte er zu Gonzo. "Du gibst ja sowieso nicht eher
Ruhe, bis du deine Bilder hast." Gonzo setzte die Suzie an. Auf dem
Küchenboden lag zerschlagenes Porzellan, Stücke von Tellern,
mit Soße verschmiert, zwei, drei Fleischrouladen, Kartoffeln. Aus
dem Wohnzimmer kamen Stimmen. Jemand weinte. "Die Leiche geht nicht
über den Sender!" sagte Behrendt und ging zur Seite. Gonzo schob
sich in die Küche, schwenkte die blitzblanke Edelstahlspüle und
die Hängeschränke ab, den Tisch, die Wachstuchdecke mit den Sommerblumen
auf dem Boden und die Scherben. Der Tote lag vor dem Küchenschrank,
das Gesicht von Stichen zerfetzt, die Brust voller Blut und das Filettiermesser
im Bauch. "Siebzehn Stiche", sagte Behrendt zu niemand bestimmtem.
Jemand hatte dem Toten die Hände auf der Brust gefaltete, der Moosröschenstrauß
klemmte zwischen den Fingern. Gonzo setzte die Suzie ab. Im Wohnzimmer
weinte eine Frau. "Sie?" fragte Gonzo. Behrendt nickte und machte
den Leichenträgern mit ihrem Sarg Platz. "Hat uns selber angerufen."
"Motiv?" fragte Gonzo, mehr der Form halber. "Noch offen",
sagte der Kommissar. Die Leichenträger nahmen dem Toten die Moosröschen
aus der Hand, ehe sie ihn in den Blechsarg legten.
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